TORN ASPIRATIONS

2022

320 x 1400 cm

Folien, Pappen, Acryl

Installation im Kunstschaufenster (Hallenbad Wolfsburg)

Eine Zeit der Unsicherheit. Eine Zeit des Chaos. Eine Zeit, die geprägt ist von der Schnelligkeit und Komplexität des modernen Alltags. Eine Zeit, in der sich trotz der wachsenden Weltbevölkerung und der sich ausbreitenden Vernetzung, viele Menschen einsam und verloren fühlen. Katharina Kühne schafft es in ihrer beeindruckenden Installation, den Geist dieser momentanen Lebensrealität vielfältig zu erfassen. Wirft man am Tag nur einen beiläufigen Blick auf diese Installation, so erkennt man ein mannigfaltiges Zusammenspiel von harten erdigen und metallenen Farbstrukturen, die nahezu chaotisch ineinander verwoben sind. Klare Strukturen und Symbolik sind so nicht zu erkennen. Der Inhalt des Werkes entzieht sich so, in genau dem schnelllebigen Alltag, welchen es abzubilden scheint, den Personen, die nur beiläufig hinschauen. Findet man allerdings eine Minute um zu verweilen, so fängt das vermeintliche Chaos an, Figuren und Abbildungen hervorzubringen. Neben brennenden Objekten, harten und scharfen Formen und dunklen – fast parasitären – Gewächsen lassen sich schemenhafte Figuren erkennen, welche in dieser groben und grellen Realität unterzugehen scheinen. So lässt sich nur mit viel Mühe die einzelne Person erkennen, und es fällt schwer, Genaueres zu sehen, ohne sogleich von einem anderen Aspekt des Werkes abgelenkt zu werden.

Die Bedeutung dieser Darstellung, die eine Welt zeigt, deren brutale Komplexität für die einzelne Person kaum noch zu verstehen ist, wird erst abends, im Wandel zur Dunkelheit sichtbar. Während die Dunkelheit die nächtliche Ruhe reflektiert, bringt sie auch die innere Realität hinter den hektischen Kulissen des unruhigen gesellschaftlichen Alltags hervor. Schemenhafte Figuren in höhlenähnlichen Räumen werden nun nicht länger vom Durcheinander überdeckt. Klar sichtbar zeigen sie ein vollkommen verändertes Gesamtbild: Das Scheiden des Lichts zeigt Personen, die, obwohl in Gruppen zusammen, einsam und ohne erkennbare Identität wirken – geradezu verloren vor den farbigen Strukturen. Es erscheint eine Darstellung von Traurigkeit und Verzweiflung, von unsicherem Austausch, von ratloser Hilflosigkeit und von geteilter Einsamkeit, welche nur im privaten Inneren der beleuchteten Räume hervorkommen.

Es ist die tragische Verbindung der fast spürbaren Einsamkeit jeder einzelnen Figur, welche ihnen selbst jedoch verschlossen bleibt, die für die Betrachtenden doch eine Gemeinsamkeit zwischen den Schemen erkennen lässt. Dieser starke Tag und Nacht Kontrast, der sichtbar macht, wie sich die Figuren in der Vielfalt des hektischen und gespaltenen Alltags verirren, zeichnet ein Bild des modernen Menschen, der sich selbst verliert in Anbetracht der aktuell zerfallenden politischen und gesellschaftlichen Visionen. Diese eher pessimistische Wahrnehmung des heutigen Seins ist jedoch bloß eine Momentbeschreibung. Obwohl dieses Verständnis des Werkes im Vordergrund dominiert, so ist doch die Arbeitsweise Katharina Kühnes bestimmt durch einen Schimmer an Hoffnung, welcher durch verzauberte Symbolik hervorsticht. Splitter aus Licht und eine bei Nacht zu erkennende farbige Umwelt der Schemen treten als Symbol des Potenzials zur Veränderung hervor. Ein Licht, das die belastende und überdeckende Komplexität des modernen Lebens durchbricht und so, wenn vielleicht auch nur für einen kurzen Moment, Trost spenden kann. So ist die Hoffnung noch nicht verloren, zerrissene Ambitionen (Torn Aspirations) wieder zu vereinen und einen gemeinsamen Weg durch eine herausfordernde Zeit zu finden. (M. K.)

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